Tag-Archiv | Fantasy

Cocoon – Die Lichtfängerin

Dieses Jugendbuch von Gennifer Albin wurde im letzten Herbst von INK Egmont herausgebracht und fiel mir durch das helle Buchcover auf. Ich ordnete es sofort einer bestimmten Kategorie Jugendbuch zu – einer eher lahmen Geschichte mit ein bisschen Fantasy- aber noch mehr Liebeskitschanteil.

Wie sehr ich mich doch durch solche Äußerlichkeiten täuschen lasse. 😉

Inhalt

IMAG1226-1-1Adelice hat eine besondere Gabe – sie nennt es einen Fluch – die sie für die Regierung interessant macht. Sie ist eine Webjungfer – sie kann den Stoff der Welt neu verweben. Deshalb ist sie dazu auserwählt, in den Türmen des Konvents zu wohnen und bis an ihr Lebensende das Schicksal der Welt Arras zu weben. Dumm ist nur: Adelice will nicht. Denn in die Türme des Konvents zu ziehen heißt, ihre Familie niemals wiederzusehen und niemals eine Familie gründen zu können.

Leider hat Adelice in der Hinsicht keine Wahl. Wie überhaupt niemand in Arras eine Wahl hat. Das Leben wird vom Konvent bestimmt und das in jeder Hinsicht, bis hin zu der Entscheidung, wer wie viele Kinder auf die Welt bringen darf. Adelice‘ Eltern wehren sich gegen dieses System und bekommen die harte Strafe zu spüren: sie werden bei dem Versuch umgebracht, Adelice zu verstecken. Adelice selbst wird nur deshalb verschont, weil ihre Gabe außerordentlich groß ist. Im Konvent selbst ist sie durch die Erfahrung des Verlusts allerdings so auf Abwehr eingestellt, dass sie sich von ihren neuen Vorzügen nicht einlullen lässt. Luxus? Wie kann sie den genießen, wenn sie weiß, dass sie nicht frei sein kann.

Sie will fliehen. Nur wohin? Jeder Ort in Arras wird durch die Webjungfern überwacht. Unerwarteten Beistand bekommt sie von Jost, einem Mann für alles in den Türmen des Konvents. Auch Erik, ein hochrangiger Assistent, scheint sie zu mögen und zu unterstützen. Aber wie kann Adelice überhaupt noch jemandem vertrauen?

Simples Jugendbuch…oder?

Viele Jugendbücher haben interessante Ansätze und neue Ideen für Geschichten, die es (gerade in der Fantasy) tatsächlich so noch nicht gab. Ich denke da an Julie Kagawas Feenbücher, in denen das Feenreich leider nicht so traumhaft ist und deswegen auch die Bücher so eine gewisse negative Grundstimmung haben. Aber viele Bücher, unter anderem eben die genannte Reihe, sind einfach nur lahm geschrieben. Kaum ausgereife Gedanken und Geschichten und meistens irgendwie unsympathische, flache Charaktere.

Wie sieht es mit Cocoon aus? Ist dieses Buch besser?

Ich sage ganz klar ja. Schon der Einstieg in die Geschichte ist weit sorgfältiger gewählt als so manch anderer. Er macht neugierig, indem er gleichzeitig vieles aussagt, aber dem frischen Leser wenig verrät – weil der zu diesem Zeitpunkt noch nichts weiß.

Bei Cocoon vermischen sich Jugendbuch, Dystopie, Fantasy und Science-Fiction. (Wobei Dystopien ja generell eine Unterart von SF sind, aber ich zähle sie hier einmal einzeln.)

Dem Jugendbuch ist geschuldet, dass die Charaktere allesamt noch recht jung sind und natürlich die erste Liebe eine Rolle spielt. Aber zu meiner Erleichterung wird nicht seitenlang darüber palavert, wie toll doch A oder B aussehen und wie man sich fühlt.

Die Dystopie entblättert sich recht schnell, weil ich sofort an Brave New World oder 1984 denken musste: eine Welt, in der alles fremdbestimmt ist, angeblich zum Wohl der Menschen. Dadurch bekommt das Buch einen sehr düstern Grundton, im krassen Gegensatz zum Cover. Bzw. – passt es dadurch, dass das ganze Leben der Menschen durchleuchtet ist. Privatssphäre ist nicht mehr.

Die Zutat Fantasy äußert sich durch das Konzept der Webjungfern: Frauen, die die Gabe haben, Stränge der Welt zu nehmen und zu verweben. Webjungfern weben Nahrung, das Wetter, sie können Menschen von einem Ort zum nächsten weben – sie weben aber auch Menschen aus der Welt. Zum Beispiel Menschen, die dem Konvent gegenüber kritisch eingestellt sind. Webjungfern weben solche Menschen und die Erinnerung an sie eben einfach weg.

Der Science-Fiction-Anteil offenbart sich nach und nach. Erst dadurch, dass die Welt Arras eine äußerst fortgeschrittene Welt ist. Doch das ist längst nicht alles. (Aber das an dieser Stelle schon offenzulegen, wäre dann doch ein zu fieser Spoiler.)

Cocoon ist gut geschrieben – besser als z.B. die Bücher von Julie Kagawa – und hat mich als Erwachsene überzeugt. Ich kann mich zwar gut in Jugendbücher einfinden, aber sie haben doch einen recht typischen Stil, der schnell langweilt und mich nicht wirklich packt. Cocoon hat mich definitiv gepackt und ist meine Empfehlung für Leser, die mit Jugendbuchreihen im Normalfall nichts anfangen können.

Leider wird die Reihe in  Deutschland so schnell nicht fortgesetzt. „Altered“, der zweite Band der Crewel-Reihe, erscheint am 3. Oktober dieses Jahres.

Angelesen: Das Licht hinter den Wolken (Oliver Plaschka)

Wenn Klett-Cotta einen neuen Fantasy-Titel auf den Markt wirft, ist es Zeit, da einmal einen Blick hineinzuwerfen. Vor allem dann, wenn es sich um einen deutschen Autor handelt. Klett-Cotta – bzw. die Hobbit-Presse – steht für Fantasy à la Tolkien: gut durchdachte Geschichten und ein ausgefeilter Schreibstil. Klett-Cotta steht für Namen wie Tad Williams und Patrick Rothfuss.

Licht hinter den Wolken_Klett-cottaIm März 2013 hat die Hobbitpresse „Das Licht hinter den Wolken – Lied des Zwei-Ringe-Lands“ von Oliver Plaschka herausgebracht, einen Autor, der schon mit „Die Magier von Montparnasse“ bei ihnen vertreten ist. Ein neues deutsches Schreibtalent?

April gegen den Rest der Welt

April will vor allem eines: Sie will Geschichte schreiben! Zum Glück hat sie eine Gabe, die sie zum Zauberschwert „Schneeklinge“ führt, das seit Jahrtausenden in einem alten Schloss versiegelt war. Von nun an ist sie unbesiegbar und kann die Schatten aus ihrer Vergangenheit endlich hinter sich lassen. Zusammen mit Jenner, einem halbmenschlichen Faun, macht sie sich daran, ihren Ruf aufzubauen.

Eine Bank ausrauben? Eine Post überfallen? Oder vielleicht den Widerstand gegen das marode Kaiserreich anführen? April stehen viele Möglichkeiten offen und einem geneigten Leser mag vielleicht auffallen, dass es mit der Moral bei April nicht weit her ist.

Die Kindheit war’s

Als Leser begleiten wir April schon von frühester Kindheit an und merken recht schnell, dass Anderssein in einem kleinen Dorf nicht unbedingt von Vorteil ist. Vor allem dann, wenn die Mutter tot ist und der Vater das Kind nur hasst. Irgendwann wehrt sich April gegen die gewalttätigen Übergriffe anderer und heraus kommt: eine nicht eben schuldbewusste junge Erwachsene.

Ganz ehrlich, mich fasziniert nicht so sehr, wie die Geschichte weitergeht, als vielmehr, wie April sich entwickelt. Sie ist an einigen Stellen der Geschichte schon fast überschwänglich unmoralisch im Sinne von: „Mir hat man Böses getan, also darf ich es auch“. April wirkt durch ihre mangelnde Reflexion, was sie da manchmal eigentlich denkt oder tut, herzlos und egoistisch.

Jenner, ihr Begleiter und aufgrund seines Schwertes auch „Banneisen“ genannt, ist ebenfalls nicht unbedingt von der Sorte, dem man seine Kinder anvertrauen würde. Aber seine Handlungen sind zielgerichtet. Kann er April beeinflussen?

Der geheimnisvolle Hintergrund

Und dann ist da noch Cassiopeia. Sie musste Schreckliches mit ansehen und Verrat erdulden – doch sie entscheidet sich für einen anderen Weg zu Macht und Stärke. Sie geht an die berühmte Kampfakademie von Leiengard. Wie passt sie und ihr Teil der Geschichte zum Rest? Bisher kann ich das noch nicht absehen. Ich bin gespannt.

Im Hintergrund agiert der Zauberer Sarik. Die Magie ist fast aus der Welt verschwunden und außerdem lauert da noch ein alter Feind, den es zu besiegen gilt. Wie hängt April mit diesem Teil der Geschichte zusammen?

Ein würdiger Klett-Cotta?

Ja! Wir haben hier eine gut aufgebaute Geschichte mit mehreren Erzählsträngen und -ebenen, wir haben einen Stil, der nicht bloß Wort an Wort reiht – und dann stellt mich Oliver Plaschka auch noch vor das große Rätsel, warum er die Tempora ändert. Welche Struktur steckt dahinter?

Fazit: Bisher ein interessanter und gut geschriebener Fantasy-Roman, der nicht ganz den üblichen Bahnen folgt.

(Bildrechte: Klett-Cotta)

The Wheel of Time – A Memory of Light

Es ist schon ein sehr komisches Gefühl, den allerletzten Band von Rad der Zeit in den Händen zu halten und zu wissen, dass sich die Serie danach endgültig aus meinem Leben verabschiedet. Vierzehn Jahre lang haben Rand, Egwene, Nynaeve, Mat, Perrin, Aviendha und Elayne mich begleitet, sind quasi mit mir erwachsen geworden. Ich will wirklich noch gar nicht daran denken, wie ein Leben sein wird, in dem ich nicht mehr auf einen weiteren Rad-der-Zeit-Band warte. 😦

Fazit nach 200 Seiten

Für mich eine Novität: ich lese das Original. Ein bisschen seltsam fühlt es sich schon an. So nach 35 deutschen Bänden.

IMAG0663Das Buch ist schwer. Weil die deutschen Bände erst später herauskommen, musste ich natürlich den Originalband bestellen. Durch glücklichen Zufall bin ich sogar an die Hardcover-Version gekommen, die mir vor allem eines eingebracht hat: Schmerzen. Uiuiui, das Ding wiegt gefühlte zehn Kilogramm – jetzt verstehe ich wirklich, warum in Deutschland die Bücher geteilt werden. Da mischen sicherlich die Krankenkassen kräftig mit!

Ein Déjà-vue kommt auf, wenn man die ersten Seiten aufschlägt und ein wohl vertrautes, gleichsam gefürchtetes Wort entdeckt: Prolog. Prolog, das bedeutet bei Robert Jordan und in den deutschen Bänden: Stell dich darauf ein, von Leuten zu lesen, du nicht nur nicht wieder erkennst, sondern wirklich nicht kennst, und danach ist das halbe Buch schon herum. Das zweite Wiedererkennungsmerkmal: „Habe ich wirklich noch nie von dieser Person gelesen oder kann ich mich nur nicht mehr daran erinnern? Und was ist eigentlich im letzten Band passiert?!“ Für alle, denen es ähnlich geht, sei das hier empfohlen: wot.wikia.com

Die Fäden laufen zusammen. Die Letzte Schlacht wird vorbereitet und die Kräfte treffen aufeinander. Mir gefällt es vor allem zu lesen, wie Rand und Egwene, Elayne und Nynaeve und Perrin plötzlich wieder an einem Ort vereint sind. Alle sind sie viel größer als damals, als sie nur einfache Dorfleute gewesen (oder Thronerbin). Sollen da wirklich nur zwei Jahre ins Land gegangen sein? Offenbar drehen sich die Räder der Zeit in der Reihe doch etwas anders. 😉 Ach ja, einer fehlt noch. Wo der wohl wieder steckt? Bisher habe ich ihn auch noch nicht entdecken können.

Rad der Zeit zieht erzählerisch straff an und ich frage mich, wie die Geschichte einen Abschluss finden kann, der nicht enttäuscht? Seit dem ersten Band, seit klar wurde, wer und was Rand al’Thor ist, steht die Unausweichlichkeit im Raum, dass er sterben muss, um den Dunklen König zu besiegen. Geschieht das wirklich? Im Gegensatz zu George R.R. Martin ist Robert Jordan immer sehr pfleglich mit seinen Charakteren umgegangen. (Deswegen wurden es ja auch immer mehr.) Lässt er Rand einfach so sterben? Diese große Frage werde ich vermutlich erst in 700 Seiten wissen.

Rezension: Drachenkämpfer (Robin Hobb)

Nun ist es ja auch schon wieder einige Monate her, seit „Drachenkämpfer“, die Fortsetzung zu „Drachenhüter“, erschienen ist. Ich habe den Band mit den prophetischen Worten meiner Freundin im Hinterkopf gelesen, die da lauteten: „Du wirst schon merken, dass er Schwachstellen hat.“ Wie jetzt? Ein Roman von Robin Hobb mit Schwachstellen?! Das konnte ich mir nicht vorstellen. Aber sehen wir selbst.

Inhalt

Alise, Thymara und Sintara, die Drachin, sind zusammen mit den anderen Hütern und Drachen auf dem Weg nach Kelsingra, der legendären Stadt der Altvorderen. Doch nicht alle haben das Wohl der verkrüppelten Drachen im Kopf. Manche von ihnen wurden heimlich angeheuert, um die wertvollen Körperteile der Drachen einzusammeln, sei es von den Lebenden oder Toten. Während im Hintergrund die skrupellosen Plünderer lauern, sind die Hüter uneins.

Vornehmlich ist dieser Band dem Wachsen gewidmet. Dem Wachsen der verkrüppelten Drachen, dem Wachsen der Beziehungen zwischen den einzelnen Personen. Und der Liebe. Ja, der Liebe.

Stetig vorwärts

Die Geschichte ist linear aufgebaut, Handlungsort ist der Regenwildfluss. Da bleibt wenig Platz für Abwechslung, aber stattdessen mehr Raum für die Entwicklung der Figuren. Und ja, das heißt nicht nur Tiefe der Charaktere, sondern manchmal auch das Genervtsein des Lesers über die neuerlichen Selbstmitleid-Phasen einiger Figuren.

Thymara, der man irgendwie die Pubertät anmerkt, weil sie zu stur und trotzig ist, um manche Dinge auch von einer anderen Seite her zu überdenken.

Alise, die viel zu naiv für die Welt ist und so lange Zeit aus ihrer ängstlichen Haut nicht herauskann, dass man ihr nur zu gern einen Schubs geben möchte.

Sedric, der völlig verblendet ist von seiner Liebe und zudem ein völliges Weichei.

Und natürlich Sintara, die arrogante Drachin. Von ihr liest man in diesem Band viel zu wenig, finde ich. Zumindest bleibt sie hinter den anderen Figuren deutlich zurück.

Da kommt die Angst auf: Werden sie sich je zusammenreißen?

Das Blatt wendet sich

Auch wenn viel (zu viel) Beziehungskram thematisiert wird und der Handlungsort immer derselbe bleibt, passiert einiges Beeindruckendes. Der Spannungsaufbau ist weiterhin vorhanden und findet einen großartigen Abschluss. Keine der Figuren befindet sich im selben Status wie am Anfang – jede hat gewisse Dinge für sich akzeptiert, sich weiterentwickelt und ist stärker geworden. Vermutlich brauchte es dafür viele der sentimentalen Phasen, die sich durch das Buch ziehen: um am Ende dem Leser vor Augen führen zu können, wie sehr sich Thymara, Sedric und Alise verändert haben. Somit wird die Schwäche des Buches gleichzeitig zu seiner Stärke. Also ja: Sie werden sich zusammenreißen.

Geheimnisse

In diesem Band offenbart sich neben den alten Namen der Drachen, die ich ja nun schon seit den Zauberschiffen verfolge, auch die Identität des Teermanns. Besonders für diejenigen, die die Zauberschiffe mit Interesse gelesen haben, die Maulkins Knäuel und dessen Schicksal mit Anteilnahme verfolgt haben, sollten die Regenwildnis-Chronik lesen. Man erfährt einiges über die Altvorderen und deren Entstehung, was natürlich einer der Hauptgründe für mich ist, das Buch weiterzulesen. Gut verteilt über das Buch werden einem neugierigen Leser wie mir immer wieder ein paar kleine Häppchen hingeworfen. Mehr davon, mehr! Mehr!

Vergleich zu den anderen Reihen

Nun, da ich selbst (fast) alle Geschichten von Hobb gelesen habe bzw. alle Welten kenne, kann ich einen guten Vergleich ziehen. Die Regenwildnis-Chroniken sind deutlich weiblicher geschrieben, was man nicht ganz damit entschuldigen kann, dass die meisten der Hauptfiguren weiblich sind. Das war in den Zauberschiffen schließlich auch der Fall. Ich nehme an, es ist vor allem Alise geschuldet, die sehr viel ängstlicher ist als die meisten von Hobbs Charakteren. Doch die Kulisse für ihre Sanftheit bildet die wohl härteste Umgebung, nämlich der Regenwildfluss. Und dieser Fluss ist definitiv ein Bonus, der sogar die „liebliche“ Seite der Chroniken ausgleichen kann. Bei keinem anderen Roman von ihr war ich so auf die Entdeckung dessen fixiert, was sich hinter der nächsten Kurve, hinter der nächsten Abzweigung verbirgt.

So lasse ich also alle schimpfen, diese Romanreihe reiche nicht an die anderen heran. Denn das stimmt nicht. In keinem anderen wurde eine solche Spannung allein dadurch erreicht, dass die Hauptcharaktere einen Fluss hinauffahren.

Fazit: Ein Roman, bei dem man sich manchmal über die Charaktere aufregen muss, der aber dennoch so viele interessante Handlungsstränge und Geheimnisse bereithält, dass man etwas verpasst, wenn man ihn nicht liest.

Erscheinungsdatum des dritten Bandes ist bisher noch nicht bekannt. Laut Heyne ist er noch nicht fest geplant, aber im Gespräch. Heißt wohl, der kommt dann erst in einem Jahr raus. „City of Dragons“ (Band 3) ist auf Englisch im Februar 2012 erschienen, der letzte Band („Blood of Dragons“) erscheint im Februar 2013.

Und Hitze ist’s!

Sieben Bücher von Frau Hobb habe ich nun hinter mir – gestern habe ich auch endlich „Drachenkämpfer“ zu Ende gelesen. Der nächste Hobb-Band liegt schon bereit, ich wage mich nun an die Weitseher-Bände heran. Man kann einfach nicht von ihr lassen, wenn man sie einmal entdeckt hat, oder? 🙂

Doch zwischenrein schiebe ich leichte Lektüre, auf die ich einfach mal Lust hatte. „Der siebte Schwan“ von Lilach Mer erinnerte mich zu sehr an das Märchen, als dass ich das Buch einfach wieder weglegen konnte. Zwar sieht es nach der derzeit so heiß begehrten Romantasy aus, aber manchmal… manchmal ist es auch ganz nett, locker-flockige Lektüre zu genießen. Vor allem, wenn draußen die Sonne die ganze Hitze des Sommers auf einmal ausschüttet.

Ziemlich viele Adjektive benutzt die Autorin, was den Prolog eher schwülstig-kitschig geraten lässt anstatt geheimnis- und ahnungsvoll. Doch überraschenderweise gefällt mir der Stil des ersten Kapitels richtig gut. Angenehm zu lesen, sogar recht gut der Zeit angepasst, in der der Roman spielt. Wovon handelt die Geschichte? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ich lese doch allerhöchstens die schwammigen Inhaltsangaben auf der Rückseite (die kaum je Wahrheitsgehalt haben).

Wie macht ihr das eigentlich, wenn ihr ein Buch entdeckt, das ihr lesen wollt? Von was lasst ihr euch anleiten? Was verführt euch?

Vorgestellt: Die Zauberschiffe (Robin Hobb)

Neu sind sie nicht gerade und auch ihre Cover erzählen noch von alten Zeiten: die Bücher der „Zauberschiffe“-Reihe von Robin Hobb. Doch ich habe mir vorgenommen, eine der wenigen Autorinnen im Fantasy-Bereich zu unterstützen, die es verstehen, eine Geschichte mit Struktur und gut durchdachten Charakteren zu erschaffen. So eine ist Frau Hobb nämlich. Und sie ist sogar die bisher einzige Frau, die mich wirklich überzeugen konnte – der Rest meiner Lieblingsautoren ist ausnahmslos männlich. Vielleicht liegt es am Namen?

 Inhalt: Schiffe aus Hexenholz und Seeschlangen

 Althea Vestrit liebt Viviace, das Zauberschiff ihrer Familie, sehr. Als Tochter einer Handelsfamilie weiß sie, wie wichtig die Verbindung zwischen dem Lebensschiff und ihrer Familie ist. Daher trifft es sie sehr hart, als ihr Vater bei seinem Tod das Schiff auf ihre ältere Schwester Keffria überträgt. Denn deren Mann Kyle hat vor, aus der Viviace ein Sklavenschiff zu machen. Obwohl die Familie in Geldnöten ist, ist Althea entsetzt: Viviace ist soeben erst erwacht und muss sogleich mit all diesen negativen Gefühlen hunderter Sklaven zurechtkommen?

Derweil wird ihr Neffe Wintrow dazu gezwungen, eine Verbindung zu Viviace einzugehen, denn nur ein echtes Familienmitglied kann ein Lebensschiff segeln. Doch Wintrow fühlt sich nicht zum Seemann geschaffen – er war mitten in der Ausbildung zum Priester. So ist seine Faszination an der Viviace von Groll überschattet.

Und dann sind da noch Amber, eine geheimnisvolle Holzschnitzerin, Paragon, das verrückte Lebensschiff, Brashen, der Versager, Malta, die kleine Hinterhältige, und Kennit, der eingebildete Pirat, der unbedingt ein Zauberschiff kapern will. Und eine Menge Seeschlangen…

Von den drei Geschichten von Hobb, die ich kenne, ist diese hier vielleicht die beschaulichste. Ich will nicht sagen, dass sie langweilig ist, weil sie immer noch besser ist als 70% der sonstigen Fantasy. Aber es gibt Stellen, an denen die Geschichte sich sehr langsam entfaltet – und da ist es bei mir vor allem das Wissen aus den Regenwild-Chroniken, das meine Neugier vorantreibt. Denn einige der Charaktere und einige zukünftige Handlungen kenne ich bereits, und nun will ich wissen, wie es dazu kommt.

Dann gibt es wieder Stellen, wo man am liebsten nicht mehr aufhören mag mit lesen, denn manchmal werden einem die Brocken hingeworfen, nach denen man giert: Was verbirgt sich in der Regenwildnis, wann findet Viviace heraus, was mit ihr nicht stimmt, wer ist Amber?

Interessanterweise ist es Malta, die unerträgliche und hinterlistige Göre, auf deren Abschnitte ich mich nun am meisten freue. Ich hoffe, ich verrate nicht zu viel, aber ich finde sie vor allem deswegen so spannend, weil ich Maltas Alter Ego der Zukunft kenne. Ich habe wirklich sehr, sehr lang gebraucht, um den Zusammenhang herzustellen, da ich nicht mehr alle Namen aus den Regenwild-Chroniken kannte. Und dann hat mich die Diskrepanz der beiden Charaktere mit dem gleichen Namen gepackt. Zwar wurden mir gewisse Entscheidungsmöglichkeiten für ihre Zukunft schon vorweggenommen, aber das macht es ja nicht weniger spannend zu lesen, wie sie dorthin kommt, wo sie später steht.

Dasselbe gilt für Althea und Brashen, im geringeren Maß.

Wer erschafft interessante Charaktere?

Bewundernswert, wieder einmal, ist das Können der Autorin im Gestalten ihrer Charaktere. Gerade mit Althea und Malta hat sie zwei Figuren geschaffen, deren Tiefe mich beeindruckt. Sie sind glaubhaft und interessant, sie verhalten sich nicht eindimensional. Althea zum Beispiel kämpft immer wieder mit ihrem Wunsch, unabhängig und verantwortungsvoll zu sein, aber dann doch feststellen zu müssen, dass sie manchmal wie eine verzogene Göre handelt.

Ob Brashen, der der rechtschaffene Typ schlechthin ist und doch drogenabhängig, oder Amber, kindlich und geheimnisvoll, oder Kennit, maßlos eingebildet und gefühlskalt… ich wünschte mir, dass in so manch anderem Roman wenigstens eine der Hauptfiguren eine solche Tiefe besäße.

Was ich hasse …

…sind emotional-kitschige Charaktere. In den Romanen, die ich bisher von Robin Hobb kenne, hat sie eine erfrischend nüchterne Art zu erzählen. Ob Männlein oder Weiblein, niemand jammert und klagt, als wäre der Weltuntergang nah. Und trotzdem steckt in den Figuren oft eine größere Tiefe der Gefühle als in allen anderen heulenden Figuren, die mir bisher so begegnet sind.

Interessanterweise neigen nämlich vor allem männliche Autoren zu männlichen Charakteren, die unter sehr weiblichen (und nicht unbedingt realistischen) Gefühlsausbrüchen leiden. Ein Großteil aller Fantasy-Romane, die ich nicht besonders mag, scheitern vor allem an einer zu emotionalen Erzählweise angesichts der großen Trivialität, die die Erzählung ausmacht. Heulende Männer? Du meine Güte. In der Realität kein Problem, aus meinen Büchern sollten sie fernbleiben. („Manly Tears“ gehen in Ordnung. Wir wollen mal nicht so sein.)

Von daher, ich kann sie euch nur ans Herz legen, wenn ihr sie noch nicht kennt. Aktuell ist der zweite Band der Regenwild-Chroniken erschienen, also: greift zu!

P.S.: Ich finde die Cover immer noch urkomisch! Denn sie zeugen so sehr von dem alten Image der Fantasy aus den 90ern! 😀 (Sind aber 2008 erschienen.)

Ausgelesen: Lieder der Erde (Elspeth Cooper)

Ein junger Mann, eine große Begabung, eine Flucht. So hatte ich Elspeth Coopers „Lieder der Erde“ in meinem Angelesen beschrieben. Klingt recht banal.

Doch zum Glück wendet sich das Blatt, als Gair in Alterans Schule kommt und feststellt, dass sie eher einem großen Internat als einer kleinen exklusiven Hausschule ähnelt. Ich gebe gern zu, dass ich Internatsgeschichten mag. Durch ihre Ortsunflexibilität müssen sie mehr auf Beziehungen der Schüler untereinander bauen, die einem Buch durchaus mehr Spannung geben können als das Eilen von einem Ort zum nächsten. Hier wird der Autor viel mehr gezwungen, seinen Figuren einer Entwicklung auszusetzen.

Ist das hier geschehen? Nicht so ganz, finde ich. Man lernt vor allem, dass Gair sehr begabt ist. Das hat man schon vermutet und es gehört ja gewissermaßen auch zu einem typischen Repertoire. Es ist auch nicht uninteressant, herauszufinden, wie besonders eine Buchfigur ist. Dennoch hätte ich gehofft, dass Gair mehr Freundschaften schließt und mehr mit anderen Personen interagiert.

Am interessantesten neben Gairs Ausbildung ist wohl vor allem, dass sich zwei größere Hauptkonflikte abzeichnen. Zum einen sieht sich das Reich bedroht von rebellierenden Wüstenstämmen, weil es längst nicht mehr über seine alte Truppenstärke verfügt. Zum anderen ist da die Bedrohung der Verschmelzung zweier Welten, weil der schützende Schleier zwischen ihnen zu zerreißen droht. Durch verschiedene Akteure kann man als Leser die verschiedenen Handlungsstränge gut verfolgen und beobachten, wie sich langsam eine immer größere Gefahr aufbaut. Daher bin ich sehr gespannt auf den zweiten Band.

Fazit: Sprachlich gut, aber nicht überragend, hat sich dieses Buch vor allem durch die Wahl eines festen Handlungsortes von anderen Reihen abgehoben. Gair ist ein solider Charakter, den man mögen kann und dessen Bestimmung ich zumindest interessiert verfolgt habe.

Info: „Lieder der Erde“ ist der Auftakt der auf vier Bände angelegten „Wild-Hunt“-Reihe. Im Juli kommt der zweite Band in den USA, während der deutsche noch bis zum 13. Februar 2013 auf sich warten lässt.

Elspeth Coopers Website

Ausgelesen: Drachenhüter (Robin Hobb)

Eigentlich habe ich viel zu lange mit einem Ausgelesen gewartet. Denn bald schon erscheint der zweite Band. Aber da ein Angelesen immer nur bewusst die ersten Eindrücke wiedergeben soll, mache ich es dennoch.

Robin Hobb kann es einfach. Sie kann erzählen, wie sonst kaum einer in der Fantasy-Zunft. Sicher, man muss die Geduld haben, ihr zu folgen, sich auf ihre Erzählweise einzulassen und nicht vorstürmen zu wollen wie ein junger Hund. Aber wenn man die Geduld hat, wenn man eine ausgereifte Geschichte lesen möchte: Dann greife man zu Robin Hobb!

Denn ihre Charaktere, ihre Handlung, ihre Geheimnisse – sie weiß es zu erzählen und Schicht für Schicht zu entblättern, immer gerade so viel an Enthüllung zu gestatten, dass es den Leser weiter antreibt. Trotz ihrer langsamen Erzählweise finde ich „Drachenhüter“ immer noch spannender zu lesen als die wesentlich schnelllebigeren „Shannara“ und „Lieder der Erde“.

Und mit Drachen drin!

Vor allem die Drachen gefallen mir hier.

Sie sind launisch, unberechenbar, ungeheuer eitel und arrogant – und Krüppel. Sehr akribisch wird ihr Bild gezeichnet, zum einen durch die Legenden, die sich immer wieder einschleichen, zum anderen durch die wechselnden Sichtweisen der Hüterin Thymara, der Forscherin Alise und der Drachin Sintara. Während Thymara einen unverstellten Blick auf Sintara hat und Mitleid für ihren verkrüppelten Körper empfindet, aber Abscheu vor ihrem Charakter, ist Alise gebannt – weniger von Sintaras wahrem Wesen, sondern von den Legenden, die sich um die Drachen spinnen. Alise sieht Sintara also nur durch den Schleier der Vergangenheit. Und in diesem Schleier, in diesem Glanz lebt Sintara. Sie fühlt sich den Menschen überlegen, wie es sich für ihre Art gehört. Doch sie spürt die Diskrepanz zwischen ihrem wahren alten Ich und ihrem Körper. Das macht sie nicht nur arrogant und launisch, sondern auch verbittert.

Verpuppen, schlüpfen, dahin vegetieren und endlich zum ersten Mal selbst jagen – durch die Sichtweise Sintaras wird uns all das nahegebracht. Es klingt so wahrhaft tierisch. Und so sind die neuen Drachen ja auch. Kaum mehr als Tiere. Und dennoch: eben mehr. Eben das, was Legenden aus ihnen machen.

In der neuen Reihe von Hobin Hobb wird wunderbar mit dem Klischee der Drachen gespielt, die vielleicht edel und meistens auch intelligent sind, aber ansonsten unerträgliche Biester, die vor allem deshalb so schrecklich arrogant sind, weil sie zu groß sind, um sie einfach zu ignorieren.

Trotzdem fällt es schwer, Sintara nicht zu mögen. Das muss man so sagen.

Fazit: Wenn ihr unbedingt Drachenbücher lesen wollt, weil Drachen tolle Wesen sind, dann könnte Drachenhüter von Robin Hobb euch vielleicht etwas erschrecken. Drachen gibt es zuhauf, aber eben nicht unbedingt die, die man so erwartet. Aber wenn ihr eigentlich schon längst keine Drachenbücher mehr sehen könnt, dann greift unbedingt zu Drachenhüter!

Zusatzinfo: Drachenhüter ist im selben Universum wie die Zauberschiffe-Reihe angesiedelt, die in Deutschland aber leider nicht mehr erhältlich ist. 😦 Wie so viele Romane von Robin Hobb. Band 2 erscheint im Juli.

Angelesen: Die Lieder der Erde (Elspeth Cooper)

Nachdem bereits „Die Räder der Welt“ ein durch und durch von Religion geleitetes Buch war, steige ich in meinem nächsten Buch direkt wieder in eine Welt ein, in der eine Religion fest den Rhythmus des Lebens bestimmt.

Inhalt:

„‚Scheußling!‘ Ihr Mund war ein rundes rotes O des Grauens, ihre Hand machte das Zeichen des Segens über der Brust. ‚O Herrin, holt rasch den Lektor, der Junge ist ein Schattenkind!'“

In Elspeth Coopers „Die Lieder der Welt“ sagt der eadorische Glaube an die „Mutter“ sehr eindeutige Worte zur Hexerei: „Einen Hexer oder eine Hexe sollst du nicht leben lassen, und du sollst alle Werke des Bösen fliehen, auf dass deine Seele nicht in Gefahr gerate.“ Diese Aussage trifft Gair, der im „Mutterhaus“ seinem Glauben nachgeht, besonders hart. Denn er hört die Musik, welche die Magie umgibt. Doch er wird bei der Ausübung der Magie entdeckt, landet im Kerker und wird zum Tode verurteilt. Einem Wunder gleich, wird er jedoch nur als Hexer gebrandmarkt und des Bezirks verwiesen. Doch wohin soll er nun gehen?

Mit dem wunderschönen Buchcover hat Heyne sich hier wirklich hervorgetan. Mein Auge entscheidet immer mit! Inhaltlich scheint Die Lieder der Erde bisher ein typischer Fantasy-Roman zu sein. Aufbruchssituation durch einen Konflikt, im Moment noch ein unstetes Herumtreiben ohne klares Ziel, ein junger männlicher Protagonist mit magischer Gabe.

Nur ist leider bisher noch nicht sehr viel mehr passiert, als eben genau das: ein Aufbruch. Eine Flucht mit einer Menge von Verfolgern, die den Protagonisten immer wieder in eine gefährliche Situation bringen, bei denen der Leser aber genau weiß, dass sie nur der Spannung dienen, sonst zu nichts. Ich muss gestehen, ich lese mit einer Art gepflegten Langeweile. Das Buch ist nicht schlecht, lässt sich gut lesen, aber mir fehlt ein bisschen das Gewicht der Geschichte. Das Motiv der Flucht/Reise wird mir ein wenig zu oft angewandt.

Ändern wird sich das vielleicht, wenn Gair an sein Ziel kommt, denn ein Ziel gibt es tatsächlich. Aber das werde ich ja bald herausfinden. 🙂

Wieder einmal: Magie und Religion

Immer wenn ich auf den Konflikt Magie und Religion treffe, kann ich nicht anders, als ihn mir etwas genauer anzusehen. Denn Magie und Religion sind nicht unbedingt Freunde. Auch in diesem Buch nicht. Wer Magie beherrscht, wird gejagt, gefoltert, getötet. Interessanterweise unterscheiden aber auch die Beherrscher der Magie selbst zwischen Magie und dem Sang. Sprich: aus Magie wird Sang gemacht, denn dem Namen Magie haftet zuviel negatives an. (S. 134)

Ein weiterer Hinweis zum Verständnis von Magie folgt auf ebendieser Seite, wenn erklärt wird, dass die Beherrscher des Sang deswegen von der Kirche verfolgt wurden, weil kein Unterschied zwischen ihrer Begabung und der Zauberer der Feinde des Reiches gemacht wurde. (Den es aber offensichtlich gibt. An anderer Stelle lehnt Alderan den Begriff Hexerei für die Begabung Gairs ab.)

Mal sehen, wie der Konflikt noch weiter verfolgt wird.

Angelesen: Die Räder der Welt (Jay Lake)

„Der Engel erstrahlte im Schein von Hethors Lesekerze so hell wie eine Messing-Maschine. In irrationaler Hoffnung griff der junge Mann nach seiner abgenutzten Bettdecke, als könnten die zusammengenähten Baumwollreste ihn vor der Macht schützen, die in seine Dachkammer eingefallen war.“ (S.7)

Ich habe es gefunden: ein Frühlingsbuch. 🙂 Und dazu eines, das mit einem wunderschönen Cover, einer interessanten Weltbeschreibung und diesem tollen ersten Satz aufwarten kann. Was will man mehr? Ach ja, richtig, die Geschichte sollte natürlich schon spannend sein.

Mit gerade mal 363 Seiten ist Räder der Welt nicht besonders dick, deswegen  erlaube ich mir schon jetzt – nach etwas über 50 Seiten – ein „Angelesen“.

Inhalt:

Mitten in der Nacht erscheint der Erzengel Gabriel in Hethors Dachkammer, um ihm einen großen Auftrag zu geben. Er soll den Schlüssel der Bedrohung finden, um mit ihm das Uhrwerk der Welt aufzuziehen – denn die Zeit gerät schon langsam aus den Fugen und hört bald ganz auf. Und wie immer bei solchen Aufträgen wird Hethor nicht gefragt, ob er überhaupt die Welt retten will. Denn eigentlich ist er nur ein Lehrling und seine Arbeitskraft ist im Besitz seines Lehnsherren und Meisters. Er kann nicht einfach in die Welt hinausstiefeln – aber Hethor weiß, er muss wohl doch irgendwie einen Weg finden.

Jay Lake hat eine Welt entworfen, in der die Erde an Zahnrädern durch das Weltall rollt und in der alles auf dem Prinzip dieser Verzahnung ausgerichtet ist. Etwa in das späte 19. Jahrhundert in eine Alternativrealität gelegt, wird sogar das Christentum komplett danach ausgerichtet. Nicht gekreuzigt wurde Jesus, sondern gerädert. Man schlägt ein Rad, wie die Katholiken in unserer Welt das Kreuz schlagen. Man trägt einen geräderten Jesus an einer Kette um den Hals. Am Himmel sind die zwei Messingschienen erkennbar, die sich wie Hörner in die Höhe krümmen und an denen Gottes Existenz sichtbar wird.

Ist das nicht genial?! Eine Alternativrealität, in der die Handlung in einem vom englischen Vizekönig regierten Connecticut spielt – und dazu noch mit diesem wunderbar erdachten Konstrukt! Ich bin begeistert.

Hin und weg

Und ich bin restlos begeistert, weil es Jay Lake versteht, richtig gut zu schreiben. Man hat das Gefühl, alle Wörter sind am richtigen Ort und ergänzen sich so, dass sie fast poetisch klingen. Ich mag das Buch langsam lesen, damit ich auch ja nichts von seinen tollen Beschreibungen verpasse.

Auch Hethor ist ein toller Charakter, der eher einem Entwicklungsroman des 19. Jahrhunderts entstiegen zu sein scheint als einem Buch der Moderne. Er wirkt wie ein ganz und gar durchdachter Charakter, der sehr gekonnt in seine Umwelt integriert ist.

Es ist alles stimmig, alles passt. Und die Welt ist atmosphärisch dicht.

Atmosphärische Dichte

Ich glaube, bei vielen Fantasyromanen bemängele ich die Abwesenheit solcher. Die Trudy-Canavan-Bücher litten unter einer Leere, die in etwa so weiß war wie das deutsche Buchcover. Ein bisschen ähnlich ergeht es mir mit dem Shannara-Buch, auch wenn es da wesentlich geringer auftritt. Sogar bei Heldenwinter hatte ich stellenweise das Gefühl, da müsste noch mehr sein. Positiv in dieser Hinsicht finde ich die Bücher von Robin Hobb, weswegen ich sie wohl auch so verehre. Dasselbe trifft auf Richard Schwartz zu und das, was ich bisher von ihm gelesen habe.

Tolkien ist nach wie vor das beste Beispiel, an dem man es erklären kann. Seine Bücher sind entstanden, weil er eine Welt brauchte, um seine Phantasie-Sprachen zu erproben. Aber diese Welt hatte 50 Jahre Zeit, sich zu füllen. Und das merkt man seinem Herrn der Ringe auch an.

Während viele der modernen Romane lediglich ein grobes Muster häkeln, gibt es wenige, die sich die Mühe machen, dicht und fest zu stricken, auch wenn nur ein Bruchteil davon zu sehen ist. Als Beispiele außer den oben genannten fallen mir da noch Robert Jordan und sein monumentales Rad der Zeit und G.R.R. Martins Lied von Eis und Feuer ein.

Genreverwirrung

Um noch mal einen Bogen zurück zu Räder der Welt zu schlagen: Hier hat es der Autor leichter. Er muss mehr abändern als erfinden. Aber das macht er sehr gut, ich bin erstaunt.

Genremäßig gehört das Buch in die Unterform des Steampunk, des sogenannten Clockpunk. (Name erklärt sich wohl von selbst.) Verwirrend finde ich die Einordnung. Ist es Fantasy? Ist es Science-Fiction? Ist Steampunk ein eigenes Genre? Das deutsche Wiki gliedert es in die Sci-Fi ein, das englische in die Fantasy und spekulative Fiktion – als „alternative Weltgeschichte“, die im deutschen Wiki wiederum zur Sci-Fi gehört, so wie ich das auch sehe.  Wie seht ihr das?