Vorstellung: Die Gezeitensternsaga von Jennifer Fallon

Ganz im Banne einer mehrbändigen Geschichte zu sein, bei der man auch die Möglichkeit hat, sie in einem Zug zu Ende zu lesen, das hatte ich schon lange nicht mehr. Ich glaube, das letzte Mal ist mir das im letzten Januar passiert, mit der Jugendbuchreihe „Rubinrot“ von Kerstin Gier. Nun lässt sich eine Jugendbuchreihe kaum mit einem Fantasy-Buch der herkömmlichen Art vergleichen. Und tatsächlich ist die Geschichte um Arkady, der Herzogin, Declan, dem Spion, und Cayal, dem unsterblichen Prinzen, etwas massiver angelegt. Immerhin ist die „Gezeitensternsaga“ von Jennifer Fallon mit der Aufgabe beschäftigt, maßlose und durchtriebene Unsterbliche zu beseitigen, weil sie die Welt Amyrantha stets aufs Neue in einen Weltuntergang stürzen.

Cayal ist einer dieser Unsterblichen, aber im Gegensatz zu seinen „Geschwistern“ sucht er ebenfalls einen Weg, sich aus der Welt zu schaffen – und das schon seit etwa 8000 Jahren. Dieses Mal glaubt er den Zeitpunkt gut, sich enthaupten zu lassen. Immerhin ist Ebbe und seine magischen Kräfte somit auf dem Tiefstand. Doch leider hat der Scharfrichter Urlaub, daher er wird nur gehängt. Als unfreiwillig Überlebender wird er in der Zelle von Arkady besucht. Sie soll als ausgebildete Historikerin Cayal der Lüge überführen, denn der hat keine Lust auf Kerker und erzählt nun jedem, dass er unsterblich ist. Warlock, der eine Mischung aus Hund und Mensch ist, sitzt in der Zelle gegenüber und bestätigt Cayals Aussage. Denn er ist ein Canide und sie sowie alle anderen Arten von Tier-Mensch-Züchtungen wurden einst von den Unsterblichen mit dem magischen Zwang zu dienen geschaffen. Declan, der Erste Spion des Königs, weiß ebenfalls, dass Cayal nicht lügt – und er weiß sogar noch mehr: Die Flut, die den Unsterblichen ihre Macht verleiht, kehrt zurück und mit ihnen die Machtgelüste all jener, die schon seit Jahrtausenden über die Welt wandeln. Daher wäre es wirklich nicht schlecht, wenn sich endlich ein Weg finden ließe, die Unsterblichkeit aufzuheben.

Unsterbliche sind immer wieder eine beliebte Zutat in Fantasy-Romanen – doch meist endet ihre Unsterblichkeit eben dann, wenn ein Held auftritt und kurzen Prozess macht. Oder aber sie sind einfach nur nicht anfällig für den Tod, wie die Elfen oder Vampire oder andere Arten von phantastischen Kreaturen. Doch die Unsterblichen von Amyrantha sind „unkaputtbar“ und einen Weg zu deren Beseitigung zu finden, erweist sich als ziemlich schwierig. „Wir sind hier nicht im Märchen“ heißt es sinngemäß und treffend im Buch. Tatsächlich bleibt die Rettung der Welt vor diesen moralischen Ungeheuern ein zwar drängender, aber dennoch erst einmal hintergründiger Aspekt der Geschichte. Zumeist folgt man den Wegen Arkadys, die es aus immer neuen Gründen einmal um die Welt herumtreibt und die dabei immer neue Unsterbliche kennen lernt.

Was mir vor allem auffällt, ist der Stil. Ähnlich etwa wie Elizabeth Haydon, die es ebenfalls geschafft hat, ein ungeheuer spannendes Szenario zu entwerfen (mit den, wie ich finde, ungewöhnlichsten Helden), ist auch hier der Stil eine Sache für sich. Ziemlich locker und lässig kommt er daher, passt sich aber ganz gut in ein Zeitalter ein, das am ehesten an die Frühmoderne erinnert. An manchen Stellen stößt es den eher arachaische Redeweisen gewohnten Fantasy-Leser schon etwas auf, aber insgesamt ist der Ausdruck sehr schön einheitlich. Die Reihe strotzt insgesamt nicht mit den intelligentesten Wendungen, aber sie bietet vor allem eines: Spannung! Man will einfach wissen, ob es möglich ist, Cayal zu seinem ersehnten Tod zu verhelfen. Und auf dem Weg kommen immer wieder interessante neue Details ans Licht. Dass man nicht gerade von einer ausgefeilten Geschichte sprechen kann, dass die eingeschobenen Erzählungen der Unsterblichen nicht gerade vor Erzähltechnik glänzen – das mag stimmen. Doch Geschichten sollen nicht bloß immer nur schlicht erzählen. Sie sollen dem Leser einen Leserausch verschaffen, der es partout nicht möglich macht, das Buch noch einmal aus der Hand zu legen, bevor die Zahl der gelesenen Seiten der Zahl der vorhandenen Seiten erreicht hat. Und wenn wir mal ehrlich sind: Ein stimmiger Schreibstil und eine ausgeklügelte Geschichte gehören meistens zu den Büchern, die zwar auch viel Freude bereiten, aber die man mal eher weglegen kann. Zumindest ist mir das fast immer so gegangen. Schwere Kost lässt sich eben nicht so einfach herunter schlucken. Aber wir wissen doch alle, dass Fast Food ebenfalls so seine Vorteile hat. Die „Gezeitensternsaga“ ist definitiv eher Fast Food, jedoch schmeckt sie gut und man erinnert sich gern an sie. (Und eigentlich will man noch mehr!)

Fazit: Insgesamt also eine empfehlenswerte Serie, die allein schon mit ihren tollen Covern auf sich aufmerksam macht. Mich persönlich hat der Aspekt der Unsterblichkeit und die Erwähnung eines Sterns angezogen. Götter, deren Macht von einem Stern abhängig ist? Wie aufregend! Zwar decken sich Erwartung und Leseerlebnis nicht (zu wenig Sterne!), aber der Lesespaß war dennoch enorm.

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